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Organisiert u.a. durch transform und die Universität Wien

Ich möchte nicht in einer Welt leben, in der alles, was ich mache und sage, aufgezeichnet wird“ (Snowden 2013).

War dies Zitat von Edward Snowden oder George Orwell? Snowden klingt hier wie der Held, den es in der „Brave New World“ nicht gibt. Denn wenn wir inzwischen in einer Welt leben, in der einige wenige Internetfirmen und Geheimdienste unsere Daten kontrollieren, interpretieren und Handel damit betreiben, so hat sich eine dramatische Veränderung vollzogen.

Nicht nur ist es so, wie Jaron Lanier, kalifornischer Cyberspace Enthusiast der ersten Stunde, inzwischen kritisch einräumt, dass die großen Internetfirmen die UserInnen enteignen und Handel mit ihren Daten betreiben, sondern es ist auch so, dass „die geheimdienstindustrielle Komplex“ inzwischen schon alle Lebensbereiche der Menschen überwachen mittels einer „Synchronisation […] sämtliche[r] Daten“ (Lang 2013).[1]

Die Konferenz (#foiup) – organisiert von u.a. transform und der Universität Wien – kommt daher zur richtigen Zeit : wie Gill Phillips, Direktorin der Rechtsabteilung des Guardian, darlegt. So hat sich die Rolle von JournalistInnen in den letzten zwanzig Jahren stark verändert. Die dramatischen Enthüllungen um die NSA und die strafrechtliche Verfolgung von Whistleblowern wie Chelsea Manning, Julian Assange und Edward Snowden, die Verfolgung von JournalistInnen und ihren Angehörigen – wie auch des Partners von Glenn Greenwald, David Miranda, und die Anwendung von Terrorismusparagraphen auf JournalistInnen – ist eine neue beängstigende Entwicklung.

Doch die Gefahren für einen fundierten, kritischen und unabhängigen Journalismus entstehen auch durch die Möglichkeiten, die das Internet für profitorientierte Medienunternehmen bietet. So ist – wie auch Susanne Scholl, Journalistin des ORF, es beschreibt – das Tempo der Berichterstattung viel höher geworden. Über das Internet kommen beständig neue Meldungen und oft ist nicht die Zeit, sie zu bestätigen und so geschieht es, wie sie am Beispiel der Ukraine deutlich macht, dass Medien Meldungen in den digitalen Orbit schicken, die zur „self fulfilling prophecy“ werden und die Situation vor Ort zuspitzen.

Denn – so legt es Harald Schumann vom Tagesspiegel nahe – das Metier der/s JournalistIn hat eine hochgradige Taylorisierung erfahren bei gleichzeitig steigender Attraktivität für jüngere Generationen. Das Ergebnis ist, dass JournalistInnen in Deutschland im Durchschnitt 60 Stunden pro Woche für einen Stundenlohn unter 4 EUR arbeiten, wenn sie denn überhaupt eine Arbeit finden. So nimmt auch der Einsatz von PR weiter zu, da sie die Medien nichts kostet und oft aufwendig produziert ist. AuslandskorrespondentInnen werden durch Freelancer ersetzt, die ihre Eindrücke und keine aufwendig recherchierten Berichte ins Internet stellen.

Eine weitere und für demokratische Strukturen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt verheerende Folge ist eine Zensur, die sich über den Einfluss der Werbekunden vollzieht. Schumann stellt die These auf, dass die Diskussion um die so genannte Eurokrise in Deutschland vollkommen anders geführt worden wäre, wenn die Berichte auch die Rolle der deutschen Banken und Investmentfonds beleuchtet hätten, die nun von den Rettungsprogrammen der Troika profitieren, obwohl sie Griechenland erst mit ihren Investitionen in den Ruin getrieben haben. Wenn der Markt es wirklich richten würde, wie die Marktradikalen behaupten, so sollten diese Banken und Fonds auch kaum mit dem Geld europäischer SteuerzahlerInnen gerettet werden. Das wäre wohl – bei entsprechender Informationslage – eine Anschauung, wie sie viele BürgerInnen Frankreichs, Großbritanniens und Deutschlands haben könnten. Aber – entsprechende Drohungen von Werbekunden wie eben jener Banken – führten selbst in Medien wie Der Spiegel, die sich als Aushängeschilder eines investigativen Journalismus verstehen, zu Auslassungen, so Schumann.

Kostas Arvanitis, Gründer des Radios StoKokkino 105.5 FM, das durch Syriza finanziert wird, fühlt sich bei diesen Ausführungen an die guten alten Zeiten in Griechenland erinnert, als es noch einen öffentlich-rechtlichen Sender gab, der vor Kurzem geschlossen wurde. Und als noch keine nächtlichen Anrufe mit Morddrohungen bei investigativen JournalistInnen an der Tagesordnung waren, wie es etwa von den JournalistInnen des UNFOLLOW Magazine geschildert wrid. Und als noch keine von der Polizei gefolterten AntifaschistInnen auf retuschierten Fotos gezeigt wurden und der zuständige Minister dafür Rechtfertigungen fand. Und noch keine drogensüchtigen jungen Frauen eingefangen und dann in der Presse und im Fernsehen als „HIV Bombe, gerichtet gegen die griechische Familie“, vorgeführt worden seien.[2] 2013 liegt Griechenland dann auch bei der Pressefreiheit auf Platz 97 hinter Gabun.

Auch am zweiten Tag der Konferenz sind die Verhältnisse in Griechenland und in Spanien Thema. Vor allem Griechenland, als „Laboratorium, um den Widerstand der Bevölkerung gegen einen radikal-neoliberalen Umbau “zu testen“, wie es Minas Samantas, Professor der Universität Kreta formuliert. Die Überwachung richte sich auch gegen jene, die gegen das „Austerity Regime“ protestierten und werde benutzt, um den Konsens dafür zu herzustellen und die nicht-kooperativen BürgerInnen öffentlich an den Pranger zu stellen. Bei Steuerhinterziehung im großen Maßstab allerdings werde die Veröffentlichung von Namen mit den Mitteln der Justiz und des Polizeiapparates verfolgt – wie vor Kurzem geschehen.

Die Hacktivistin Spideralex formuliert es für das unter ähnlichen „Austerity Programmen“ leidende Spanien so: „Es handelt sich nicht um eine Krise, sondern um einen globalen Raubüberfall.“ George Katrougalos, Professor der Democritus University in Griechenland, folgert: „Wir stehen an der Kreuzung zu einem sozialen oder einem neoliberalen Europa, daher geht Griechenland alle an.“

Die Frage ist nur, wie können einem kritischen Journalismus verpflichtete Medien, die nicht nur in den von Austerity Programmen betroffenen Ländern in der Defensive sind, dazu beitragen, den Weg in Richtung einer Re-Demokratisierung des öffentlichen Raumes und einer Re-Orientierung am Gemeinwohl einschlagen helfen? Oder wie der griechische Medienaktivist Kostas Efimeroses formuliert: „Die alte Welt des Journalismus ist tot, aber die neue zahlt nicht gut.“ Aber die Hoffnung, dass das Internet einfach als „partizipatives Medium“ die Lösung bringe, ist spätestens im letzten Jahr endgültig gestorben.

Wolfgang Hofkirchner, Professor an der TU Wien sieht die Wiedergewinnung der Kommunikation im Sinne einer Kooperation und keiner „Idiotie“ (von „idios“, was auf  Griechisch „selbst“ bedeutet), also einer Kommunikation in einer Gesellschaft der Vereinzelten, die sich auf das Paradigma der maximalen Verwirklichung partikularer Interessen gründet (wie er sie im neoliberalen Kapitalismus sieht) als einen entscheidenden Schritt in die richtige Richtung. Der Journalismus, wie er gegenwärtig in den Mainstreammedien unter den Bedingungen eines kommerzialisierten Mediensektors funktioniert, sieht er als die Verschleierung partikularer Interessen, die gegen die Interessen der Allgemeinheit stehen. Diese Art der Kommunikation befördere und verschleiere die von ihm konstatierte voranschreitende Desintegration der Gesellschaft. Insofern ist für Hofkirchner die „Freiheit der Information“ nur ein Etappenziel auf dem Weg in einer auf Kooperation und nicht auf der Verwirklichung partikularer Interessen auf Kosten der Allgemeinheit gegründeten Gesellschaft.

Professor Christian Fuchs, Autor des gerade erschienen Buches „Social Media. A critical introduction“ fragt sich, wie dem Versuch einiger weniger Internetkonzerne und privater Überwachungsfirmen, ihre Freiheit zu maximieren und die der UserInnen zu minimieren, begegnet werden kann.[3] Welche Alternativen können wir vorschlagen, fragt er sich? In Europa mache es Sinn, sich auf die Errungenschaft der öffentlich-rechtlichen Medien zu konzentrieren und diese auch online auszudehnen, denn de facto werden die öffentlich-rechtlichen aus dem Internet durch Gesetze herausgehalten. Es wäre seiner Ansicht nach auch sinnvoll, eine Art öffentlich-rechtliches youtubeoder facebook zur Verfügung zu stellen und bei den alternativen Medien die Selbst-Ausbeutung zu beenden – eventuell durch einen Medienbeitrag, der auch von Konzernen für die Nutzung öffentlich-rechtlicher Medien bezahlt wird. Dies könnte mit einem Bürgerhaushaltssystem an non-profit Medien weiter geleitet werden. Ein ergänzender Vorschlag aus dem Publikum lautet auf eine Art Tobin Tax auf für Werbung in den Medien.

Miayse Christensen, Professorin in Stockholm, sieht den ersten Schritt darin, dass sich die User_innen des Interents bewusst werden, dass sie a) überwacht werden und b) mit ihren Daten bezahlen, gerade wenn der Service gratis angeboten wird wie etwa bei facebook. In dem von ihr geleiteten Forschungsprojekt „Secure Spaces“ über eben dieses Bewusstsein, entstand das Bild von User_innen, die entweder nicht Bescheid wissen oder es auch lieber nicht so genau wissen wollen. Während viele Menschen der Kameraüberwachung gegenüber kritisch seien, so sähen nur wenige ihr Mobiltelefon als Überwachungsinstrument an, da man diesen Service lieber nicht missen wolle, wolle man sich auch nicht mit den Folgen seiner Nutzung so genau auseinandersetzen. Gesetze zum Schutz der UserInnen seien nur auf transnationaler Ebene und auch nur mit einem großen gesellschaftlichen Druck durchsetzbar.

Pepi Zawodsky von Metalab und Kryptoparty Österreich hat Erfahrung mit dieser Art der Ignoranz. Das Problem sei auch, dass Sicherheit oder Unsicherheit und Überwachung nicht sichtbar seien in der neuen digitalen Welt und insofern eine Abstraktion nötig ist, um Misstrauen zu empfinden. Dieses Misstrauen sei allerdings unbedingt angebracht und selbst mit einfachen Verschlüsselungsmethoden streuten die User_innen schon Sand ins Getriebe der gut geölten Überwachungsmaschinerie. Langfristig sieht aber auch er nur Gesetzesänderungen als wirklichen Schutz gegen die Übermacht der Konzerne und der Überwachungsmaschinerie.

Ergänzend zu diesen Möglichkeiten, sollten auch die Transparenzgesetze verstärkt oder überhaupt erst verabschiedet werden, so Markus Hametnervon der österreichischen Initiative für eine Transparenzgesetz und Theresija Stoisits von der österreichischen Liga für Menschenrechte.

Spideralex, Hacktivistin aus Spanien, fragt demensprechend warum viele die „Slow food“ Bewegung unterstützen, aber bei der Wahl ihrer Technologie solche Erwägungen kaum eine Rolle spielen. Sie stellt einige in Spanien praktizierte Formen der „post-kapitalistischen“ Aneignung vor, die analog zu einer „Ernährungssouveränität“ eine „technologische Souveränität“ befördern sollen. Freie Software, aber auch freie Hardware ist ein Bestandteil dieser Lösungen, aber auch die generelle „DIY Dynamik“, die Arbeit in Kooperativen gegen die Arbeit in Konzernen stellt. Neutrale, dezentrale Server sind ein weiterer Teil der Lösung und digitale öffentliche Bibliotheken könnten ein Angebot sein in Zeiten von erneutem Zugriff von Konzernen auf mit öffentlicher Unterstützung generiertes Wissen – wie an Universitäten. Alternative Satelliten, alternative Suchmaschinen, Cryptocurrencies, Hackerspaces und Labs – kurzum eine „alternative technologische Welt“, die dem Gemeinwohl und nicht dem Profit und den Interessen von Staaten in ihrem Streben nach Hegemonie verpflichtet ist.

Diese Welt, dieser „transnationale öffentliche Raum“, wie George Katrougalos ihn anvisiert, entsteht weltweit bereits an einigen Ecken und Enden, sieht sich jedoch sehr mächtigen Interessen gegenübergestellt. Arne Hintz von der Universität Cardiff/ England beschreibt verschiedenen Initiativen rund um den Globus, wo es zivilgesellschaftlichen Organisationen und Bewegungen gelang, Gesetzesänderungen zu erreichen – wie etwa in einigen lateinamerikanischen Staaten wie Argentinien, in denen das öffentliche Interesse bei der Verabschiedung neuer Mediengesetze eine wesentliche stärkere Berücksichtigung fand. In anderen Bereichen gelang es zumindest, die Debatte aus dem Feld der technologischen Machbarkeit in eine über die gesellschaftlichen Auswirkungen zu überführen. Vor allem die Verbindung von verschiedenen Formen des Protests, der Lobbyarbeit und Musterprozessen habe sich als erfolgreich erwiesen. Die Konvergenz verschiedener Initiativen sei daher unbedingt sinnvoll.

Andreas Krisch, Vorsitzender von dem Netzwerk European Digital Rights, sieht ebenfalls Erfolge wie z.B. die Proteste gegen ACTA, allerdings sind die dahinter stehenden Interessen mächtig und wirksam und versuchen nun das ACTA Abkommen in kleinen Schritten umzusetzen. Daher müsse auch der Widerstand permanent aufrechterhalten werden.

Ein Gebiet, auf dem derzeit ebenfalls wieder bereits erkämpfte Rechte zurück genommen werden, sind die öffentlichen Bibliotheken bzw. der Zugang zu wissenschaftlichen Publikationen. Nikolaus Hamann vom Arbeitskreis kritischer Bibliothekarinnen und Bibliothekare Kribibi und als solcher Mitveranstalter des Kongresses, legt in seinem Vortrag die Geschichte der Schrift als Herrschaftsinstrument und die der ersten Bibliotheken als Archiv für Verträge und Gesetze im Sinne der Herrschenden dar. Erst mit der Entstehung des Bürgertums wurden die Privilegien der Schrift und damit der universitären Ausbildung auf Teile des Bürgertums ausgedehnt, da eine höhere Zahl von Gelehrten gebraucht wurde. Damit wuchs aber auch die Gefahr, dass dieses Wissen sich gegen die Eliten richtet. Zu dieser Zeit etablierte sich auch die die Volksbücherei-Bewegung, die Literatur und wissenschaftliche Publikationen allgemein zugänglich machte. Heute zu Zeiten von e-Books wird dieser Zugang wieder eingeschränkt. Daher versucht die open access Bewegung die Rechte von Printpublikationen auch auf online Publikationen auszudehnen.

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass 2013 wie ein Weckruf für die JournalistInnen und MedienaktivistInnen gewirkt hat. Es sieht so aus, als müsse sich der Journalismus gerade neu erfinden und das Recht auf (gut recherchierte) Information und (eine geschützte) Kommunikation gegen seine weitgehende Instrumentalisierung für gemeindienstliche und wirtschaftliche Zwecke verteidigt werden. Vielleicht sind wir spät dran, aber die Fakten liegen nun für alle sichtbar auf dem Tisch. Der Kongress „Freedom of Information under pressure“ weist schon mal in die richtige Richtung.

 


[2]Film dazu auf dem Blog der UNFOLLOW JournalistInnen: borderlinereports.net/2013/09/14/ruins-chronicle-of-an-hiv-witch-hunt-2/.

[3]Er macht insbesondere zwei Widersprüche zwischen der Freiheit der Internetkonzerne und der (Un-) Freiheit der UserInnen aus: 1) die Daten der UserInnen werden global allgemein sichtbar gemacht während die finanziellen Daten der Konzerne als Privatsache verteidigt werden gegen den Fiskus 2) Widerspruch: der industrielle Überwachungskomplex, der auch für private Konzerne wie den für den Snowden gearbeitet hatte, sehr lukrativ ist, ist auf der naiven Annahme aufgebaut, dass umfassende Überwachung Terrorismus verhindert, dabei bleibe es nicht aus, dass auch andere gesellschaftliche Gruppen Ziel der Überwachung würden, wie etwa AktivistInnen sozialer Bewegungen.

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