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Von Jugendstreichen, Datenreisen und Auftragshacks

Es sind die netten Jungs von nebenan, und zwar die, die lieber zu Hause abhängen als sich in Sportvereinen auszutoben. Sie gelten als „Nerds“, Spezialisten in Sachen Computertechnik und Wegbereiter in Sachen Internetsicherheit. Sie sind neugierig, überschreiten Grenzen, sehen das Internet als potentiellen Raum der Aneignung: Hacker.

Am 23. Mai 2014 fand im Salon der Rosa Luxemburg Stiftung eine eher intim anmutende Gesprächsrunde anlässlich des 25. Todestages von Karl Koch statt, von Beruf Hacker. Die Wau-Holland-Stiftung [2] hatte gemeinsam mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter dem Titel „Hacker und Geheimdienste [3]“ eingeladen. Der Film „23 – nichts ist so wie es scheint [4]„, der die Geschichte des KGB-Hacks [5] erzählt, war auf 50 Minuten zusammengeschnitten und bot eine gute Einstimmung sowohl für diejenigen, die nicht zum Hackerkreis gehören und als auch für jene, die ihre eigene Geschichte zu bearbeiten haben. Dabei ging es nicht zuletzt um die Geschichte des Chaos Computer Club [6] (CCC).

Aus diesem Kreis kamen diejenigen, die die KGB-Hacks durchführten. In diesem Kreis haben die damit verbundenen Fragen, wie die nach der Zusammenarbeit mit Geheimdiensten, nach den Umfangsformen in der Szene, oder danach, ob Hacken für Geld in Ordnung ist – also Fragen nach der Hackerethik – zu ernsthaften Zerrüttungen geführt. Unter anderem die Erfahrungen aus den KGB-Hacks haben den CCC zu dem gemacht was er heute ist: ein emanzipativer politischer Zusammenschluss von Hacker*innen.

Die engagierte Debatte an diesem Abend zeigte einiges, was zwar als Streitanlass geeignet ist, aber in seiner Tatsächlichkeit nicht umstritten ist: Westdeutsche Geheimdienste nahmen die neuen Entwicklung im Bereich Internetkommunikation und die Hackerszene ernst. Dass einige aus der Szene in den 1980er Jahren angefangen haben für Geld Aufträge von Geheimdiensten zu bearbeiten, führte in der politisch sehr heterogenen Szene zu Paranoia, Misstrauen, aber auch Selbstüberschätzung. Die Szene war organisatorisch nicht gut genug aufgestellt, um im plötzlichen Focus der Repressionsbehörden widerspruchsfrei im Sinne ihrer Mitglieder und im Sinne der Bewahrung der Kommunikations- und Informationsfreiheit zu agieren. Einer der Redner meinte, dass es keine Gemeinsamkeiten gab.  Diejenigen, die sich auf eine Zusammenarbeit mit dem Verfassungschutz, dem westdeutschen Inlandsgeheimdienst, oder anderen Geheimdiensten eingelassen haben, haben sich selbst überschätzt, die politisch wertvolle Arbeit der Szene eher behindert, als gestärkt. Wären mit dem Anschluss der DDR und dem Wechsel des CCC von Hamburg nach Berlin 1989 nicht die vielen unbelasteten Ost-Hacker zum CCC gekommen, dann wäre der Club nicht das geworden, was er heute ist.

Dennoch stellen sich bis heute in der Hackerszene immer wieder die gleichen Fragen wie schon damals: Mit wem arbeite ich zusammen? An wen gebe ich mein Wissen weiter? Sei es Wikileaks [7], sei es Anonymous [8], sei es Edward Snowden [9]. Eine emanzipative politische Organisierung, ob online oder offline, sollte ihr Wissen nicht einigen wenigen zur Verfügung stellen, sondern vielen. Im Sinne der Idee von Commons [10] können politisch sinnvolle Hacks, die Offenlegung von Know-How und die damit verbundene Möglichkeit der „Mehrwertschöpfung“ das Internet vor Privatisierung und Überwachung schützen, statt den Wissensvorsprung zu privatisieren und damit lediglich Geld zu machen.

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