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Keynote Robert Misik

Das Internet ist angeblich eine mächtige Kraft der Demokratisierung. Soziale Medien haben einen wesentlichen Beitrag zu Protesten, etwa in Ägypten, geleistet. Es gibt eine weltweite Kontroverse: Ist das Internet gut oder schlecht für die Demokratie?

Gut, sagen die einen: demokratisches Medium, das für alle zugänglich ist. Dezentrale Architektur erschwert Zensur, daher kann Internet Motor demokratischer Aufstände sein, aber auch Artikulationstool in demokratischen Ländern – jeder hat eine Stimme. Nein, sagen die anderen: Stimmt gar nicht, das Netz wird von großen Konzernen kontrolliert, sowohl auf der Infrastruktur- als auch auf der Inhalteebene. Außerdem ist Überwachung viel leichter geworden. Morozov ist ein Kronzeuge dieser Diskussion.

Es gibt ein lebhaftes Pro und Contra dieser beiden Positionen, bei der die reale Wirklichkeit auf der Strecke bleibt. Vieles wird ausgeblendet. Natürlich ist das Netz eine Technologie, die sich für Aktivierung jeder Art eignet. Auch Konzerne können das Rad nicht zurückdrehen, denn es gibt stabile Vernetzungen. Was früher nur Parteien und großen Organisationen gelang, nämlich Massenmobilisierung, können heute auch Einzelne ziemlich einfach.

Das Netz ist aber auch eine Schule des Free Speech. Man flüstert nicht mehr in Cafés herum, sondern gewöhnt sich an offene Meinungsäußerungen. Es gibt einen Freiraum der Kommunikation, allen Zensur- und Kontrollmechanismen zum Trotz.

Überwiegt das Gute oder das Schlechte? Doch wohl das Gute, alles andere wäre Kulturpessimismus. Aber wenn das Internet nicht nur ein machtvolles Instrument zur demokratischen Teilhabe ist, sondern auch sonst Voraussetzung für jede Form gesellschaftlicher Aktivität ist, dann ist es ein öffentliches Gut. Dann muss jeder Zugang dazu haben. Bei öffentlichen Gütern muss es ein Recht auf Teilhabe geben. Heute sollte jeder Bürger ein Anrecht auf einen Breitbandzugang haben. Offener Zugang, etwa an Flughäfen, wäre auch ein starkes symbolisches Statement.

Ideologische Diskussion um Eigentumsverhältnisse: Das Netz ist dort frei, wo es selbst gemacht ist, aber unfrei, wo es kommerziellen Interessen unterworfen ist. Stimmt das? Oder ist das freie Netz immer von Nerdheit durchwebt? Sind es nicht gerade die großen kommerziellen Dienste, die so zugänglich sind, dass jeder sie bedienen kann?

Das Netz eröffnet enorme Chancen. Lebendige Demokratie besteht aber nicht nur darin, dass jeder seine Interessen zum Ausdruck bringen können, sondern dass sie dies in einer gemeinsamen Öffentlichkeit tun. Man muss das Heterogene nicht einebnen, aber es müsste ein Bewusstsein eines gemeinsamen Diskursraumes geben. Tatsächlich differenziert sich Öffentlichkeit immer mehr aus, und häufig findet am meisten Gehört, wer am lautesten schreibt. Allzu oft führt das Internet zu Polarisierung, zu vielen kleinen Republiken und Inseln, aber nicht unbedingt immer zu mehr Dialog.

Fazit: Netz für alle macht die Demokratie nicht notwendigerweise demokratischer, weil Demokratie neben der Heterogenität auch gemeinsame Räume braucht. Die Kultur im Netz trägt dazu nicht immer bei. Das Internet ist gut für die Demokratie, aber kein Wunderapparat, der aus Scheiße Gold macht.

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2 Responses to “Keynote Robert Misik”

  1. Jens Best sagt:

    Das ist jetzt so 2002-2004 Niveau. War das wirklich die Konklusion der Keynote?

  2. […] der taz) und Schriftsteller aus Wien, und einer der Keynote-Speeker auf der LINKEN Netzkonferenz “Netz für alle”, war anlässlich dessen in Berlin  und sprach am Rande der Konferenz mit vielen WahlkämpferInnen, […]

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