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Panel 1: Von Zensursula über ACTA zu IPRED

mit Eva Kiltz [1] (VUT), Olaf Wolters [2] (Böhmert & Böhmert), Lavinia Steiner [3] (Digiges), Constanze Kurz [4] (CCC).
Moderation: Halina Wawzyniak [5] (DIE LINKE)

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Eva Kiltz:
Regulierung nicht den großen Unternehmen überlassen, sondern die Gesellschaft sollte die Regeln selbst machen.

Constanze Kurz:
Immer mehr Menschen verlangen eine ganz neue Art der Regulierung. Frage nach Überwachung der Nutzung ist zentral geworden. Immer mehr Menschen wenden sich von Urheberrecht ab.

Olaf Wolters:
Internet ist international, das spiegelt sich in der Urheberrechtsdebatte wieder. Wer reguliert die Freiheit im Internet? Unterschiedliche Protagonisten spielen eine Rolle. Das Internet wird derzeit von starken Unternehmen reguliert. Was muss der Staat jetzt tun? Brauchen wir eine Internetverfassung – Grundrechte im Internet?

Lavinia Steiner:
Gesellschaft sollte mehr mitgestalten können. ACTA hätte, wäre es umgesetzt worden, dazu geführt, dass gesetzliche Bestimmungen geändert worden wären. Wurde lange hinter verschlossenen Türen verhandelt. So etwas muss breiter diskutiert werden.

Constanze Kurz:
Wir wissen bis heute nicht, wer eigentlich für die BRD ACTA verhandelt hat. Saßen da wieder die Verwerter mit am Tisch? Es ist in SAchen Urheberrecht meist so, dass die nichtkommerziellen Interessen unterrepräsentiert sind.

Olaf Wolters:
Es war durchaus transparent, wer ACTA verhandelt hat: Vertreter des Außenministeriums und ähnliche. Wie transparent ist solche politische Verhandlungsführung? Das kann man diskutieren, aber es war ja auch das Parlament beteiligt. Es war also keine Hinterzimmerpolitik. Die grundsätzliche Frage im Zusammenhang mit der Regulierung des Internet ist: Wer stellt die Regeln auf? Das muss ein gesellschaftlicher Prozess sein, und wer da wen repräsentiert, muss entschieden werden. Einzelne Nutzer, Verbände und Wirtschaftsunternehmen müssen da gleichermaßen beteiligt sein.

Eva Kiltz:
Wir haben die Begriffe nicht geklärt. Wer sind „die Nutzer“, „die Verwerter“, „die Nutzer“? Was heißt „kommerziell“, was heißt „öffentlich“ im Netz? Die ACTA-Diskussion ist so ausgegangen, wie sie ausgegangen ist, weil nicht klar war, für wen die Regeln gelten sollten, um die es da ging.

Lavinia Steiner:
ACTA hätte keine neue Regeln geschaffen, sondern nur vorhandene Regeln zementiert.

Constanze Kurz:
ACTA hat gezeigt, dass ein Großteil der normalen Nutzer die Nase voll haben. Brauchen wir eine Verfassung, oder haben wir nicht längst Regeln? Die bekämpfen wir schließlich. Wir haben einen status quo, wir denken uns nicht aus dem Nichts heraus irgendwelche Regeln aus. Siehe Google-Transparenz-Report: Google nimmt auf Zuruf irgendwelcher Anwälte alle möglichen Links vom Netz.

Olaf Wolters:
Die Frage ist, aufgrund welcher Regeln Google Links löscht? Das Internet war nie frei, und es wird nie frei werden. Gibt es ein Recht auf Anonymität oder nicht? Und wenn ja, was hat es für Auswirkungen? Da müssen Entscheidungen getroffen werden. Freiheitsrechte des Einzelnen finden dort ihre Grenze, wo sie die Freiheit des anderen berühren. Zugangsrechte begrenzen beispielsweise die Rechte des Urhebers. Es gibt auch Kommunikationsfreiheit, die aber z.B. durch Persönlichkeitsrecht eingeschränkt ist. Das ist seit Jahrzehnten Gegenstand gesellschaftlicher Auseinandersetzungen. Siehe auch den Fall Bettina Wulff. Man kann die Gesetze kritisieren, aber wer bestimmt auf internationaler Ebene über das Regelwerk?

Eva Kiltz:
Damit Freiheit möglich ist, muss es Regulierung geben.

Halina Wawzyniak: Was wäre für Euch ein freies Internet?

Constanze Kurz:
Möglichst wenig Einschränkungen, möglichst wenig Monopole. Im Kantschen Sinne: ein Netz, das mir möglichst große Handlungsspielräume eröffnet. Auch technische Perspektive: selbst mitgestalten können.

Lavinia Steiner:
Frei bewegen, keine Einschränkungen, keine Überwachung à la China, Netzneutralität. Und: Zugang für alle.

Eva Kiltz:
Wenn ich unter Beachtung meiner Grundrechte mich als Privatmensch bewegen kann. Je besser ich das Netz verstehe, desto weniger glaube ich daran, dass das funktioniert, weil man ja überall Datenspuren hinterlässt. Der Staat müsste hier Vorgaben machen. Außerdem will ich mit meiner geistigen Arbeit ein Einkommen erzielen können.

Olaf Wolters:
Beim Straßenverkehr gibt es auch ein Regelsystem.

Markus Beckedahl:
Auch ich bin für Regeln. Aber wir haben die falschen und setzen sie falsch durch. In Sachen Netzneutralität gibt es ein Marktversagen, auf das die Bundesregierung und die Europäischem Kommission reagieren müssten. Wollen wir die Regeln weniger Telekommunikationsanbieter hinnehmen, oder wollen wir sie gesellschaftlich aushandeln? Stattdessen wird immer Urheberrecht durchgesetzt, statt es zeitgemäß zu reformieren. Bei der ganzen ACTA-Diskussion gab es keine Transparenz, deshalb hat wohl letztlich auch das Parlament dagegen gestimmt. Die werden zukünftig mehr mitreden wollen.

Constanze Kurz:
Ich sehe es live in der Enquetekommission, dass wir uns die Regulierung von den Lobbyisten diktieren lassen – zum Beispiel beim Thema Netzneutralität. Erstaunlich ist, dass die meisten Nutzer es so gleichgültig hinnehmen, wenn sich wirtschaftliche Interessen quasi-gottgegeben durchsetzen.

Eva Kiltz:
Die Leute, die heute Gesetze machen, verstehen nicht, was sie da machen. Dann fragen sie Lobbyisten, und am Ende kommt immer das Falsche heraus.

Olaf Wolters:
Wie funktioniert derzeit der gesellschaftliche Dialog zu wichtigen Entscheidungen? Vielleicht sollte man sich das mal genauer angucken. Einerseits wird gewünscht, dass man marktmächtige Unternehmen reguliert, andererseits soll es dann z.B. im Bereich Jugendschutz, gerade keine Regulierung geben. Der Gesetzgeber weiß offenbar nicht genau, wie er das einordnen soll.

Felix Stalder:
Ob es Regeln oder Freiheit geben soll, ist die falsche Frage. Sie müsste laute: Welche Regeln soll es geben, welche Freiheit soll ermöglicht werden? Was wollen wir mit der Regelung erreichen? Es wird am Ende keinen Konsens geben, weil es Interessengegensätze gibt.

Halina Wawzyniak: bittet um Abschlussstatements.

Olaf Wolters:
Ich würde mir wünschen, dass der internationalen Dimension mehr Rechnung getragen wird.

Constanze Kurz:
Wir führen hier in Deutschland eine Stellvertreterdebatte. Was wir hier machen, hat eine Signalwirkung für weniger demokratische Länder. ACTA ist abgelehnt, aber es ist durchaus nicht sicher, ob sich das EU-Parlament nun emanzipiert hat oder ob es sich nur dem öffentlichen Druck gebeugt hat.

Eva Kiltz:
Seit mittlerweile drei Legislaturperioden steckt das BMJ den Kopf in den Sand. Wir haben jetzt eine FDP-Ministerin, die zwischen den Positionen schwankt, statt Regeln zu setzen und diese nach Europa zu kommunizieren.

Lavinia Steiner:
Wir sind in dieser Debatte überhaupt nicht vorangekommen. Ein abschließendes Statement wäre jetzt verfrüht.

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