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Stand: Juni 2024

Nachtrag, Meldung aus dem Juni d.J., Kontext: Debatten um Digitale Souveränität, die nicht nur, aber auch finanzielle Souveränität bei Software-Beschaffung und -Betrieb bedeutet:

Bund: Lizenzkosten für Microsoft auf hohem Niveau, insgesamt neuer Rekord

Das Finanzministerium wollte die Zahlen für 2023 zunächst geheim halten, doch der Protest war zu groß. Ein Haushaltspolitiker spricht von explodierenden Kosten.

Aufhänger-Fakt dieser Meldung:

Die Kosten für Softwarelizenzen in der Bundesverwaltung sind im Jahr 2023 erstmals über eine Milliarde Euro gestiegen. Von über 771 Mio. im Jahr 2022 auf über 1,2 Mrd. im Jahr 2023. Das ist eine Steigerung um 441 Mio. bzw ein Plus von rund 57 %.“ (Quelle)

Dieser Datenpunkt ist in mehrfacher Hinsicht interessant:

1. So geht linke Digitalpolitik: Bei dem „Haushaltspolitiker“ handelt es sich um den Bundestagsabgeordneten der Linkspartei Viktor Perli. Dieser arbeitet seit Jahren konsequent am Lizenzkostenthema, wie ein ausführlicher Heise-Artikel zum Thema hervorhebt. Sein Durchhalte- und Durchsetzungsvermögen gegen höchstministerielle Günstlingswirtschaft zum Profite digitaler Monopolkonzerne verdient nicht nur Beachtung, sondern Respekt.

2. Während überall (außer beim Militär) gekürzt wird, gelingt es Microsoft (und in dessen Windschatten auch unbekannteren Nischen-Platzhirschen wie z.B. Citrix – VPN – oder VMware – Virtualisierung), die öffentlichen Haushälter_innen auch in Zukunft über den Tisch zu ziehen, Heise weiter:

Die Ampel-Koalition bekomme „die explodierenden Kosten nicht in den Griff“. Der Bundeshaushalt sei „zu einer Gelddruckmaschine für Software-Konzerne geworden“. Nachdem insbesondere Microsoft jahrelang die Preise in die Höhe getrieben und seine Monopolstellung „schamlos ausnutzen konnte, haben jetzt andere Unternehmen nachgezogen“. Das Regierungsbündnis habe immer noch kein System für das Management teurer IT-Lizenzen eingeführt, moniert Perli. Deutschland und Europa müssten sich unabhängiger von Big-Tech-Konzernen machen, sonst drohten weitere Preisschocks und Datenmissbrauch.“

Das Beispiel Citrix macht klar, dass sich reine Investment-Akteure zunehmend über Softwareanbieter unmittelbar aus den öffentlichen Mitteln für digitale Infrastrukturen bedienen. Hier Aufklärung zu betreiben und bei Investitions- und Beschaffungsentscheidung gegenzuhalten, ist unmittelbar „linke“ Digitalpolitik.

3. Es gibt die Alternativen, z.B. Opendesk (im Softwareverzeichnis und mit Code-Basis im „Bundes-git“) statt des um die Produkte von Microsoft gruppierten Windows-Desktops. Es gibt sogar einen öffentlichen Betrieb, der für die Entwicklung und den Einsatz dieser Alternativen verantwortlich ist, das „Zentrum für Digitale Sourveränität (ZenDiS)“. Allerdings sind die dortigen Vorreiter vernünftiger öffentlicher Software-Infrastrukturen finanziell krass im Nachteil: Derzeit geht mehr als das Hundertfache in Richtung der Monopolkonzerne. Andreas Reckert-Lodde, zwischenzeitlich als Interims-Geschäftsführer beim ZenDiS verantwortlich und dazu befragt für einen ausführlichen golem-Artikel über Opendesk, nimmt es sportlich:

Die wichtigste Frage bleibt dennoch: Kann das so funktionieren mit der digitalen Souveränität, wenn der deutsche Staat vergleichsweise so wenig dafür zu investieren bereit sind? Reckert-Lodde ist sich sicher: „Ja, das kann so funktionieren. Die Diskrepanz zwischen 6 Milliarden und 19 Millionen klingt immer spektakulär. Allerdings ist die Gegenüberstellung aus verschiedenen Gründen nicht fair und auch nicht zielführend.“

Das Zendis solle ja mit den 19 Millionen weder Software entwickeln noch Lizenzgebühren bezahlen. „Unser Auftrag ist, Rahmenbedingungen zu schaffen, die es der öffentlichen Verwaltung ermöglichen, ihre digitale Souveränität zu stärken.“ Ein Aspekt dabei sei es, den Einsatz von Open-Source-Software zu forcieren – indem Bedarfe identifiziert und priorisiert werden, „wir sollen helfen, Richtlinien zu erstellen und Wissen zu vermitteln, zum Beispiel, indem wir konkrete Projekte anstoßen und begleiten eben wie bei Opendesk“.

Und indem man den Austausch zwischen der öffentlichen Verwaltung und der Open-Source-Community initiiere, „dazu dient unter anderem Opencode. Mit den 19 Millionen lässt sich dabei schon einiges bewegen. Richtig ist aber auch: Mit mehr Geld wäre noch viel mehr möglich.““

Nicht nur Behörden-Desktops mit so wenig Microsoft wie möglich sind bereits machbar. Was mittlerweile schon vor fast 20 Jahren in München versucht und politisch abgesägt wurde, führen als innovativste und mutigste öffentliche Körperschaften derzeit die Bundesländer Schleswig-Holstein und Thüringen fort. Open Source ist in Thüringen nicht nur in einem Digitalisierungsgesetz sondern auch im Vergabegesetzt verankert. In Schleswig-Holstein sieht die Digitalstrategie der Landesregierung hinsichtlich eines „digital souveränen Open-Source-Arbeitsplatzes“ den Umstieg auf einen freie-Software-basierten Behördendesktop bis 2025 vor. Dabei lässt sich die Orientierung der Digitalstrategien dieser Länder interessanterweise nicht an bestimmten parteipolitischen Präferenzen festmachen: In Schleswig-Holstein kam Open Source in den vergangenen Legislaturperioden unter schwarzer, gelber und grüner Regierungsverantwortung voran; in Thüringen sorgten die Landesregierungen mit linkspartei- und spd-rot und grün für vernünftige öffentliche Digitalisierung.

4. Das Softwareverzeichnis des ZenDiS beinhaltet (Stand 26.9.24) bereits fünfunddreißig ausdrücklich als „stabil“ markierte Opensource-Projekte für öffentliche Verwaltungsaufgaben. Mit solcher Software fallen keine Lizenzgebühren an. Das Geld lässt sich für Wartung und Weiterentwicklung der gemeinnützigen Open-Source-Software einsetzen. Der Hebel bei deren Einführung ist das Vergaberecht: Vorrang für Open-Source-Software ist nicht nur erforderlich sondern auch rechtskonform, so fasst ein Positionspapier aus dem ZenDiS, das direkt dem Bundesinnenministerium unterstellt ist, im Juni 2024 zusammen. Das hat Thüringen vorbildlich erkannt und umgesetzt (s.o.). Kein/e digitalisierungs- oder haushaltspolitisch verantwortliche Person wird sich mehr darauf zurückziehen können, sie habe von alle dem nichts gewußt…

 

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