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Barbara Eder schreibt in der Jungen Welt vom 13.11.24:

Was einst »Maschinenstürmerei« hieß, hat heute negative Konnotationen — in der Praxis des Luddismus schwingt jedoch nicht notwendigerweise die Idee der Fortschrittsfeindlichkeit mit. … Den Ludditen ging es weniger um den physischen Akt des Maschinenzerstörens, sie zielten auf die symbolische Macht dahinter. Einige ihrer legitimen Nachfahren operieren anders: Der Mut zum Maschinensturm ist ihnen gleichbedeutend mit einer Haltung, die alles ablehnt, was auf willkürlichen Beschränkungen technischen Wissens beruht, denn erst durch selbiges lassen sich die letzten Bastionen magischen Denkens [Herv. me] zu Fall bringen. Bis heute macht der Closed-Source-Charakter der meisten kommerziellen Computeranwendungen die Quellcodeeinsicht und damit auch den modifizierten Nachbau unmöglich. Hackerinnen und Hacker setzen im Dahinter an — und tragen damit den trügerischen Schein von schimmernden Oberflächen ab.

Der mittelalterliche Blick sieht überall Monster (statt offene Fragen der Wissenschaft) Bildquelle: Map Monsters

Bei dieser höchst interessanten Verknüpfung von Closed Source, also proprietärer Konzernsoftware und Magie bin ich hängengeblieben. Denn ja: Im Mittelalter funktionierte Wissenmanagement genau so: Die Wissensquellen waren abgesperrt in den Klosterbibliotheken, die Wissenserschließungsfähigkeiten (Lesen, Schreiben) waren entweder verboten oder gesellschaftlichem Status zufolge alleine den Herrschenden und ihrem Personal vorenthalten. Breiten Teilen der Bevölkerung half zum Weltverstehen nur der Rückgriff auf Glaube, Gerücht, Vermutung, Unterstellung. Dinge, die passierten, waren so nicht zu begreifen, Ursache-Wirkungszusammenhänge kamen nicht als solche zu Bewußtsein, geschweige denn zur systematischen Überprüfung. Wer dennoch „Ahnung“ davon hatte, mit ihnen arbeiten konnte, sie im eigenen Interesse einzusetzen wusste, hatte nicht nur den Gebrauchswertvorteil gegenüber groberen Methoden (try-and-error) auf seiner oder ihrer Seite, sondern auch einen Gewinn an symbolischer Macht, in das sich das Staunen der Ahnungslosen leicht ummünzen ließ. Letztere konnten mangels Einblick in die Quellen nichts anderes am Werk sehen als die Hand Gottes oder eben Hexenwerk, je nachdem.

Den Bogen zurück in die digitale vermeintliche Moderne: Wer hier – etwa als Entscheider_in – für die Vorfahrt von Closed Source sorgt, erledigt die Arbeit eines neu-mittelalterlichen, digitalen Priestertums: Wissen wird abgeschlossen, Handlungsmöglichkeiten eingehegt. Was Fake-News auf Diskurs-Ebene und Sozial-Media-Tribalisierung im Vergesellschaftungsmodus darstellen, tritt uns hier im technopolitischen Gewand gegenüber: die Gegenaufklärung. Wer sich dagegen auflehnt, indem er oder sie die proprietären Maschinen der Konzerne lahmlegt und stattdessen Freien Code schreibt, einsetzt, weiterverteilt, kann draußen im Wald weit entfernt von den mit Gläubigen überfüllten digitalen Kathedralen eine Hütte aufschlagen („Plattformeffekt“) – wie einst die weisen Kräuterfrauen und -männer. Bestenfalls gelingt von dort aus und auf Veranstaltungen wie dem CCC oder dem FOSDEM das produktive Bündnis mit Gleichgesinnten – wie einst alljährlich im Carnutenwald. Läuft es schlecht, droht damals wie heute Hexenjagd. In Deutschland etwa ist es noch immer verboten (heute – 2024 – nicht damals), mit digitalen Werkzeugen zu arbeiten, die geeignet sind, Fehler in Code zu finden und auszubessern (vgl. sog. „Hacker-Paragraph)“. Das alles passt wie Arsch auf Eimer zu Varoufakis‘ sozio-ökonomisch grundierter These vom „Technofeudalismus“ der gegenwärtigen Formation.

 

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