Prof. Dr. Karsten Weber
Zuletzt geändert: 24. August 2011
Prof. Dr. Karsten Weber
Prof. Dr. Karsten Weber ist Professor für Allgemeine Technikwissenschaften an der Brandenburgischen Technische Universität Cottbus. Er forscht u.a. zu den Themen Technikethik, Informationsethik, Technikfolgenabschätzung und den sozialen Auswirkungen des Internets.
Seine Thesen für die Diskussion in Panel 6:
1. Zahlen sind geduldig: Man kann Statistiken auf unterschiedliche Weise interpretieren. Die oben genannten Zahlen spiegeln daher nur einen Teil der Realität wider. Betrachtet man nämlich die Nutzerzahlen des Internet nach Alterskohorten, so erkennt man, dass in der Alterskohorte der 14-29-Jährigen 97,3% online sind (alle Angaben (N)Onliner-Atlas 2011), in der Alterskohorte der 30-49-Jährigen immer noch 89,7%. Es ist kaum zu erwarten, dass ein Medium 100% aller potenziellen Nutzerinnen und Nutzer erreichen wird.
2. Internetnutzung ist altersabhängig: Aus dem Gesagten lässt sich ableiten, dass Internetnutzung mit dem Alter korreliert. Das Internet als Breitenmedium existiert nicht einmal seit 20 Jahren. Eine schnelle Durchdringung aller Altersgruppen wäre in so einer kurzen Zeit sehr unwahrscheinlich. Die digitale Spaltung (zumindest in Deutschland) ist im Kern kein sozialpolitisches Problem.
3. Internetnutzung hat etwas mit Nutzen zu tun: Menschen setzen Ressourcen ein, um daraus Nutzen zu ziehen. Die Unterschiede bzgl. der Nutzerzahlen bei verschiedenen Alterskohorten, Bildungsschichten und Einkommensgruppen sind dadurch zu erklären, dass die jeweiligen Personen keine individuellen Vorteile aus der Nutzung des Internet erwarten; ähnliche Zahlen wird man bspw. bei der Nutzung von Büchern, Qualitätsjournalismus, Nachrichten und Dokumentation im Fernsehen u.Ä. finden. Die Wissensklufthypothese erklärt diese Unterschiede sehr gut.
4. Mehr Internetnutzer bedingen nicht mehr Internetnutzen: (Staatliche) Programme zur Erhöhung der Nutzerzahlen gehen am Problem vorbei. Solange Nichtnutzer keine individuellen Vorteile in der Nutzung des Internet sehen, wird auch die Bereitstellung subventionierter Internetzugänge keinen (sozial‑)politischen Gewinn nach sich ziehen, keine Gerechtigkeitsdefizite auflösen (wobei sich hier schon die Frage nach dem zugrunde gelegten Gerechtigkeitskonzept stellt) und auch keine Demokratisierungsschübe auslösen.
5. Mehr Internet bedeutet nicht mehr Demokratie: Es ist ideologisch-technokratisch begründeter und daher fataler Trugschluss, dass das Internet Demokratie und politische Teilhabe befördern würde. Die (staatlich finanzierte) Schließung der digitalen Spaltung würde kein einziges soziales Problem in Deutschland lösen, sondern Ressourcen verbrauchen, die wesentlich sinnvoller investiert werden könnten. Die digitale Spaltung ist nicht Ursache, sondern Wirkung anderer sozialer Unterschiede, die aber nicht in allen Fällen ein Gerechtigkeitsdefizit markieren, sondern auch Ergebnis individueller Entscheidungen sind.
[…] mit Prof. Karsten Webers Thesen zur Digitalen Spaltung ist im Programm mit Sicherheit auch für einige Kontroverse gesorgt: Mehr Internet bedeutet nicht […]