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Teilnehmende: Annette Mühlberg (ver.di), Halina Wawzyniak (LINKE), Stefan Wehrmeyer („Frag den Staat“). Moderation: Julia Witt.

Julia: Was ist euch das Wichtigste am Thema?

Halina: Alle Staatsgewalt geht von der Bevölkerung aus. Alle sollten sich an Demokratie beteiligen können. Das setzt Informiertheit voraus. Alles, was in Politik, Wirtschaft etc. mit mehr als zwei Personen besprochen wird, sollte öffentlich sein. Wenn Ausschüsse in Parlamenten geheim tagen, ist das absurd.

Annette: Demokratie braucht Öffentlichkeit. Zum Beispiel Verfahrenstransparenz bei Datenverarbeitung im öffentlichen Bereich und bei Unternehmen. Außerdem: mehr open data, z.B. wie bei „Frankfurt gestalten“. Besonderes Anliegen: Was fällt für uns eigentlich unter Geheimhaltung? Beispiel Berliner Wasserverträge. Bürger hat einen Anspruch zu erfahren, was die Vertragsbedingungen sind.

Stefan: Projekt „Frag den Staat“ will zunächst einmal die bestehenden Möglichkeiten nutzen. Aktuelles Informationsfreiheitsgesetz bietet viele Möglichkeiten, aber die Behörden lehnen Anfragen trotzdem häufig ab. Wir wollen die Leute dazu bringen, mehr Anfragen zu stellen und zu schauen, was verbessert werden kann.

Julia: Wir sind in Berlin partizipativ herangegangen und haben nach Schnittstellen und übereinstimmenden Interessen geschaut. Am 14. September starten wir in Berlin mit einem großen Open-Data-Portal.

Halina: Wir haben immer wieder darauf gedrungen, dass Ausschüsse öffentlich tagen, z.B. Untersuchungsausschuss Kundus, Internet-Enquete u.a. Wikileaks, Open Leaks und vergleichbare Plattformen sind wichtig, Whistleblower brauchen mehr Schutz. Dafür haben wir im BT einen Antrag gestellt, in dem wir auch eine Ombudsstelle vorschlagen. Auch für Bloggerinnen und Blogger wollen wir erreichen, dass sie bei Zeugnisvereigerungsrechten etc. Journalisten gleichgestellt werden – ist noch nicht ganz durch, aber vermutlich wird es dafür eine Mehrheit geben. Auch der Schutz für Journalisten muss auf die neue Zeit übertragen werden.

Stefan: Wir sind dafür, dass Daten offengelegt werden, um Beteiligung zu stärken. Unser Portal soll nicht die Behörden nerven, sondern Transparenz schaffen.

Annette: Als Grundprinzip sollte gelten: Daten sind grundsätzlich frei, es sei denn, es spricht etwas Konkretes dagegen. Wenn der Staat in toto andocken soll, werden hohe Investitionen nötig. Wer bezahlt das? Wenn es private Unternehmen tun, muss sichergestellt sein, dass die Daten öffentlich bleiben. Wichtig: Es ist derzeit ein Beschäftigtendatenschutzgesetz auf dem Weg, das in Sachen Whistleblowing wenig hilfreich ist, weil drinsteht, dass man erst mal dem Arbeitgeber Bescheid sagen soll. Ein besonderer Skandal ist ELENA: hat vermutlich etwa 800 Millionen gekostet, aber man weiß es nicht. Zudem kann man keine Selbstauskunft über die gespeicherten Daten bekommen, obwohl das Datenschutzrecht das ausdrücklich vorsieht. Rechtsstaat und Demokratie bröckeln langsam ab.

Halina: Kann es ein Zuviel an Transparenz geben, das der Demokratie gefährlich wird? Totalitarismus ist ein Durchdringen in die Privatsphäre. Genau das gilt es zu verhindern. Aber es gibt Sachen, die zu erfahren die Gesellschaft ein Recht hat. Deshalb müssen ja z.B. auch Abgeordnete ihre Nebeneinkünfte offenlegen.

Julia: Was ändert sich in Sachen Transparenz durch das Netz?

Stefan: Wir versuchen, Druck aufzubauen, um Verbesserungen am Informationsfreiheitsgesetz herbeizuführen. Beispiel: Informationsfreiheitsgesetz gilt überhaupt nicht beim Parlament.

Annette: Wer hat die Hoheit über Infrastrukturen? Was ist im Netz öffentlicher Raum? Verträge, soziale Verfahren, aber auch technische Verfahren müssen transparent sein. Wenn ich etwas bei Facebook einstelle, muss ich kontrollieren können, was mit diesen Daten passiert. Facebook gibt darüber keine Auskunft. Insbesondere wenn die öffentliche Verwaltung in Facebook hineingeht, ist das hochproblematisch. Man stelle sich vor, das Gesundheitsamt wollte auf Facebook mit Bürgern über deren Gesundheit diskutieren.

Halina: Auch bevor es das Netz gab, gelangten Geheiminformationen an die Öffentlichkeit, aber man war auf die Vermittlung durch Journalisten angewiesen. Heute stehen die Dokumente im Original im Netz, und ich kann mir eine eigene Meinung bilden. Auch Gesetzentwürfe etc. kann man heute viel schneller verbreiten und Feedback von den Betroffenen bekommen.

Julia: Haben Politiker Angst, netzbasierte Beteiligungsplattformen könnte die Eigenverantwortlichkeit der Politiker aushebeln?

Halina: Wir haben uns die Macht geborgt für vier Jahre, aber wir sind nicht weniger anfällig für Fehlurteile als andere Leute. Wenn Bürger Druck auf Politik ausüben, ist das eher ein positiv zu erlebendes Korrektiv. Politiker müssen dann allerdings auch in der Lage sein, ihre Positionen zu ändern, wenn sie dazu Anlass bekommen.

Annette: Im Netz schaffen es bestimmte Gruppen, Aufmerksamkeit für Themen zu erlangen, die vielleicht viel weniger relevant sind als es scheint. Politiker sollten sich nicht von allen Wellen im Netz mitreißen lassen, sondern in erster Linie ihre Arbeit leisten. Auch die öffentliche Verwaltung kann nicht permanent nur Kommunikationsanforderungen erfüllen.

Halina: Lobbying für behindertengerechten U-Bahn-Zugang ist schwieriger als für offene WLAN-Hotspots. Das muss man immer mitdenken.

Annette: Politiker müssen schauen, wo Leute sind, die sich vielleicht nicht so artikulieren. Man muss genau gucken, welche Ressourcen man wo investiert. Politiker sind sehr öffentlichkeitsabhängig und deshalb ständig in Gefahr, dass sich von temporärer Aufmerksamkeit abhängig zu machen.

Julia: Abschlussfrage: Welche Daten würdet ihr gern öffentlich sehen?

Halina: Die vom Bundesamt für Verfassungsschutz. Dann würde man wahrscheinlich sehen, dass man keine Geheimdienste braucht.
Stefan: Die Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes.
Annette: Wer hat an ELENA verdient? Es ist teuer, bürokratisch und ein Datenmoloch, und trotzdem ist es immer weitergeführt worden.

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2 Responses to “Panel Informationsfreiheit”

  1. Klaus sagt:

    Interessantes Interview 🙂
    Es stimmt leider, dass der Bürger zu wenig Einsicht in wichtige Datensätze erhält. Die Regierungen schotten sich im elitären Selbstverständnis zu gerne ab.

  2. Nach so coolen Infos werde ich auf jeden Fall wieder kommen! Bookmark inklusive!!!

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