Durchleuchtet, analysiert und einsortiert
Zur fortschreitenden digitalen Erfassung unseres Alltags durch Unternehmen und den damit einhergehenden Gesellschaftlichen Risiken.
Standpunkte 12/2015 von Wolfie Christl.
In den letzten zehn Jahren hat sich eine Entwicklung zugespitzt, die auf die vollständige digitale Erfassung unseres Lebens hinausläuft. Unser Alltag wird heute von Tausenden Unternehmen überwacht, die uns ständig durchleuchten, einsortieren und bewerten – und unsere intimsten Details an den Handel, an Versicherungen sowie an die Finanz- und Personalwirtschaft verkaufen. Das digitale Geschäft mit unseren persönlichen Daten läuft auf Hochtouren. Um den damit verbundenen persönlichen und gesellschaftlichen Risiken etwas entgegenzusetzen, bedarf es dringend mehr Transparenz über die zunehmend aggressiven Unternehmenspraktiken, verbunden mit einer neuen europäischen Datenschutzund Technologiepolitik.
In einer Zeit, in der die Überwachung durch staatliche Institutionen im öffentlichen Diskurs einiges an Beachtung findet, wirft der Wiener Publizist und Netzaktivist Wolfie Christl den Blick auf die oft wenig beachtete Dimension wirtschaftlicher Überwachung:
Abgesehen von Fehlern bei der Erfassung der gesammelten Daten können Fehler in den Prognosemodellen und damit falsche Schlussfolgerungen äußerst negative Auswirkungen auf einzelne Personen haben. Big Data ist weit entfernt von wirklicher Objektivität oder davon, wirklich zuverlässige Vorhersagen zu liefern. Die Prognosen sind prinzipiell unscharf, da sie auf Korrelationen und Wahrscheinlichkeiten beruhen. Wer beispielsweise die «falschen Personen» kennt, im «falschen Bezirk» wohnt oder sich bei der Anwendung einer Smartphone-App «falsch verhält», muss damit rechnen, entsprechend klassifiziert zu werden, und negative Konsequenzen tragen, ohne sich dagegen wehren zu können. Wenn Versicherungsunternehmen die Risikoabschätzung zunehmend von Lebensgewohnheiten und Verhaltensweisen abhängig machen, werden dadurch außerdem Risiken immer mehr individualisiert. Auch eine Verweigerung der Teilnahme an der Datenerfassung kann Konsequenzen haben: Wenn keine oder zu wenige Daten über eine Person vorliegen, schätzt ein Unternehmen das Risiko für eine Kundenbeziehung unter Umständen prinzipiell als zu hoch ein.
Wer tiefer in das Thema Überwachung druch Wirtschaftsakteure einsteigen möchte, der oder dem sei die Studie «Kommerzielle digitale Überwachung im Alltag» des Autors empfohlen. Einen guten Einstieg bietet außerdem die Radiosendung «Wie mit unseren Daten Geld verdient wird» von Sebastian Strube.
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Tags: Papier, Publikation