Kathrin Hartmann wird im Panel 1 „Digitalisierte Arbeit als bezahlte Arbeit“ über die Arbeitsbedingungen freier JournalistInnen im Spannungsfeld von prekärer Entlohnung, formeller Selbstständigkeit und dem Anspruch eines qualitativ hochwertigen Journalismus berichten. Hierzu stellt sie in ihren Vorabthesen für das Panel den Interessensverband Freischreiber, in dem sie organisiert ist, vor.
© Stephanie Fuessenich
Die Freischreiber sind weniger eine Gewerkschaft als ein Lobbyverband der freien Journalisten. Zwar sind viele Freie auch in Gewerkschaften wie DJV und ver.di organisiert – doch bislang sind die ungezählten Freien, die teils aus eigener Entscheidung, zum Teil gezwungenermaßen selbstständig sind, eher Einzelkämpfer. Tarifstreiks, wie ihn Tageszeitungsredakteure zusammen mit Gewerkschaften organisieren können, sind unter Freien kaum möglich. Das ist problematisch, denn ohne Solidarität und das Bewusstsein, eine Berufsgruppe zu sein, die Rechte einfordern kann und muss, ist es sehr einfach, freie Journalisten gegeneinander auszuspielen und im Preis zu drücken – frei nach dem Motto: Wenn Du das nicht machst – diejenigen, die es für noch weniger Geld machen, stehen Schlange.
Die Freischreiber sind angetreten, diesen Zustand zu ändern: Wir wollen der anonymen Masse der Freien eine Stimme geben. Wir betonen, dass ohne Freie kein guter Journalismus möglich ist. Denn wir haben ja einen großen Vorteil: weil wir keinem Verlag und keiner Redaktion verpflichtet sind, sind wir absolut unabhängig. Aber Qualitätsjournalismus muss anständig bezahlt werden: saubere, ausführliche Recherche, gut geschriebene Texte – all das kostet Geld. Wir kämpfen daher für Honorare, die sich am Rechercheaufwand orientieren sowie für eine faire Zusammenarbeit auf Augenhöhe mit Redaktionen. Deshalb lehnen wir auch die in den Vergütungsregeln als „angemessen“ definierten Honorare ab: Kein hauptberuflich freier Journalisten kann davon seinen Lebensunterhalt bestreiten.
Gleichzeitig wehren wir uns gegen Knebelverträge der Verlage, die uns für ein einmaliges, zumeist winziges Honorar alle Rechte an unserer Arbeit abkaufen wollen – um damit selbst Geld zu verdienen. Aus diesem Grunde treten wir auch gegen das Leistungsschutzrecht an, das weder uns noch der Qualität im Journalismus dient, sondern einzig und allein den Verlagen zugute kommt.
Um darauf aufmerksam zu machen, wer wir sind und warum man auf uns nicht verzichten kann, organisieren wir öffentlichkeitswirksame Aktionen: Etwa die Lese-Tour freier Journalisten in vier Städten (www.freischreiber.de/freischreiberlesereise/der-flyer-zur-tour), die Aktion „Ohne Freie fehlt was“, bei der wir anhand von Freiflächen in Feinschmecker, P.M., Brand Eins, Geo Saison, Zeit Magazin und Stuttgarter Zeitung sowie Interviews mit den Chefredakteuren belegt haben, dass diese Medien ohne uns nicht existieren könnten (www.freischreiber.de/ohne-freie-fehlt-was) und den Zukunftskongress 2010 „Mach’s Dir selbst – wie freie Journalisten in Zukunft arbeiten und Geld verdienen werden“ mit mehr als 200 Teilnehmern und 60 Referenten. Und im Oktober gehen wir in die Vollen: wir verleihen den Himmel- und Hölle-Preis: unsere 400 Mitglieder wählen die fairste und die fieseste Redaktion Deutschlands. Gleichzeitig veröffentlichen wir unseren Code of Fairness. Am 11. November in Hamburg vergeben wir den Preis an die Redaktion, die besonders gut oder besonders schlecht mit ihren freien Mitarbeitern umgeht.
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Tags: Arbeit, freischreiber, Hartmann, Journalismus, Prekarität