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Horst Kahrs, Referent für Das Öffentliche/Klassen- und Sozialstrukturanalyse bei der Rosa-Luxemburg-Stiftung blickt im nd mit Marx auf den technologischen Fortschritt und stellt die Frage nach den emanzipatorischen Potentialen der Digitalisierung:

Von 1991 bis 2014 stieg der Wert, den ein Erwerbstätiger rechnerisch in einer Stunde schuf, preisbereinigt um fast 42 Prozent. Gleichzeitig sank das Jahresarbeitsvolumen aller Erwerbstätigen um lediglich 3 Prozent, verteilte sich aber auf eine um 10 Prozent gestiegene Erwerbstätigenzahl. Ist da Fortschritt? Entsteht durch den technischen Fortschritt irgendwo freie Zeit, ist schnell eine andere technische Neuerung zur Hand, um sich dieser freien Zeit zu bemächtigen. Eine emanzipatorische Politik in der Tradition der Marx’schen Kritik der Politischen Ökonomie braucht eine humane, universale Vorstellung von Fortschritt, um das Hamsterrad zu verlassen.

[…] seit der Jahrtausendwende erleben wir ein Rollback des großen Geldes, der neuen Geschäftsmodelle, der Monopolbildung, der Vermachtung des Internets. Wir erleben gegenwärtig »das digitale Debakel«, das Internet sei »gescheitert« schreibt jetzt Andrew Keen: Das »libertäre Zeitalter mit seinem Glauben an die Dreifaltigkeit von Demokratie, Marktwirtschaft und Individualismus« eröffne das Gegenteil von gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Chancen für alle: »Die Zukunfts-Architekten aus Silicon Valley arbeiten nicht am Gemeinwohl, sondern an einer privatisierten vernetzten Wirtschaft und einer Gesellschaft, die niemandem nutzt als ihren mächtigen und reichen Eigentümern.«


Und weiter:

»Fortschritt« ist kein Heilsversprechen mehr, zumindest hierzulande. […] Mit der Verallgemeinerung des Kapitalverhältnisses ist die Zukunft unsicher geworden, sind die Sorgen um die Zukunft gewachsen. Das Bedürfnis nach Sicherheit schmiedet die Lohnarbeit fester an das Bestehende bzw. an die Strategien des Kapitals. Das Bedürfnis nach Sicherheit und die Umwälzung der Verhältnisse stehen in keinem freundschaftlichen Verhältnis zueinander. Revolution ist das Synonym für höchste Unsicherheit. Hierzulande scheint die Angst vor der Zukunft, das Geschwister des Sicherheitsbedürfnisses, zu überwiegen.

Fortschrittliche Politik muss also auf gesellschaftliche Verhältnisse zielen, die Unsicherheit, anders gesprochen: die Offenheit gegenüber dem, was kommt, wieder lebbar machen. Wandel darf nicht in biografische Katastrophen münden. Gegen Unsicherheit helfen keine ausgefeilten Konzepte, sondern am Ende Mut und Hoffnung, dass es ein besseres Leben geben kann, wenn ein »Verein freier Menschen« demokratisch darüber entscheidet, wohin es gehen soll. Anders ist Zukunft von Freunden des menschlichen Fortschritts nicht zu denken.

Der gesamte Artikel ist hier zu finden.

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