Update April 2018: Sehr schön fassen Thomas Wagner im ND und Frank Rieger im Bayerischen Rundfunk die politischen Implikationen zusammen: Enteignet Facebook! Aber, Wagner relativiert sich selbst:
Doch so richtig diese [Parole; ME] auch ist, wird sie im politischen Raum kaum aufgegriffen werden. Denn wer bei Facebook die Pausentaste drücken wollte, müsste mit dem geballten und lang anhaltenden Zorn der hiesigen Nutzergemeinde rechnen. Für diese stellt das Netzwerk ja auch eine nützliche Kommunikationsinfra–struktur zur Verfügung, die dabei hilft, Kontakte zu pflegen, sich zu informieren und den Alltag zu organisieren.
Ein erster Schritt wäre es, sich wenigstens selbst nicht mehr bei Facebook als Werbekunde einzureihen und diesen Zorn zahlend zu nähren. Na, RLS?!
Update März 2018: Ende 2016 (!) hab ich mich ja gefragt, warum das hier kein massenmedial verwertetes Thema wurde. Jetzt, weit über ein Jahr später, gibts nichts wirklich Neues dazu und ich frage mich: Warum wird das Thema ausgerechnet jetzt massenmedial sichtbar? Die einzige neue Wendung, die ich wahrnehme: „Die Russen warn’s!“ Vielleicht liegt hier auch die Antwort. Wir leben scheint’s in Vorkriegszeiten und da reagieren die massenmedialen Reflexe in erster Linie feindbildgesteuert. Ein Interview erzählt, worum es eigentlich geht, das ND und die Blätter, worum es – trotz aller sozialdemokratisch technik-euphorischer Verkürzung wenigstens – gehen sollte. Updates Ende
Ich schicke ungern Leseempfehlungen rum, denn wer liest schon noch, und außerdem empfiehlt ja Facebook viel besser… Und damit wären wir auch schon beim Thema, die siebeneinhalb Seiten habens in sich: Wahlwerbung 4.0 hat Brexit und Drumpf zum Sieg verholfen. Wie genau es funktioniert, das ist nicht einmal geheim, also auch nicht wirklich als fiese Manipulation anprangerbar. Um Missverständnisse zu vermeiden: Clinton hat auch digital wahlgeworben, mit den gleichen Daten, Verteilern und Strategien wie Obama damals, der so hoch gelobt wurde für seinen „Social-Media-Wahlkampf“. Kinderkram war das aber – im Vergleich zu Drumpfs Online-Kampagne. Denn es war noch nicht big-data-based und algorithm-driven. Einzelheiten in einem gut lesbaren Siebeneinhalb-Seiten-Artikel der Schweizer Zeitschrift Das Magazin (pdf). Und hier noch der Link zum dort angesprochenen Youtube-Clip.
Das ND polemisiert zwar gegen die Auffassung, die Big-Data-basierte Psychometrie habe zum Überraschungserfolg Drumpfs beigetragen:
Wer glaubt, Donald Drumpf sei vor allem von sinistren Kampagnenmachern ins Amt manipuliert worden, muss sich nicht mehr damit auseinandersetzen, dass es letztlich eben doch Millionen Amerikaner waren, die ihn gewählt haben. 14.1.2017
Und der Spiegel wiegelt ab und versucht die Geschichte zu relativieren. Auf prinzipieller Ebene bleiben solche Entgegnungen allerdings dünn: Alle möglichen Branchen entdecken die Datenakkumulation und den -weiterverkauf als neuen Geschäftszweig, alle möglichen Daten werden gehandelt. Diese Datensammlungen sind, ganz AGB-konform, manchmal personalisiert oder anonymisiert, was egal ist, denn unterschiedliche Datenbestände lassen sich zusammenschalten und re-personalisieren. So lassen sich statistische und persönliche Profile erstellen. Schließlich werden „targets“, nämlich z.B. „Millionen Amerikaner“ – ob für Wahl- oder sonstige Werbung – auf der Basis statistischer Analyse mit individuell zugeschnittenen Argumenten angesprochen. Das ganze millionenfach und vollautomatisch. Das widerlegen weder ND noch Spiegelartikel.
Kurioserweise scheinen sich Facebook und Co. so sehr selbst für die Guten zu halten, dass sie weder verhindert noch auch nur vorhergesehen hätten, wie mit den unter anderem von ihnen selbst akkumulierten Daten ein Präsident an die Macht kam, den sie alle ablehnten. Einzig Peter Thiel, Gründer der Firma Palantir, die u.a. Big-Data-Auswertung für die NSA macht, hat schon während des Wahlkampfs für Drumpf gespendet. Da wurde er wahlweise noch verlacht oder beschimpft dafür…
Für Linke dürfte die Nachahmung der Trumpschen Big-Data-Kampagne schwer werden, denn entscheidend ist der Zugang zu den Daten – und um sich den – nach kostenlosen Schnupperangeboten, wie eine sehenswerte Panorama-Reportage weiß und die Reporterin im Interview verrät – zu kaufen, braucht es viel, VIEL, nein: MEHR Geld. Nämlich mehr Geld als die anderen haben. Und überragende Finanzkraft war noch nie Stärke der Linken – oder sie müssen sich verbünden mit Facebook und Co.