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Leerer Krankenhausflur (Foto: Public Domain)

Bevor ich zu den sinnvollen Digitalisierungsprüfsteinen des Chaos Computer Clubs komme: Forscher_innen in den USA haben untersucht, wie sich dort die Qualität der Versorgung und die gesundheitliche Situation der Patienten nach der Übernahme von Krankenhäusern durch Private Equity verändert. Dafür haben sie 662.095 Fälle Einhundert-Prozent-Medicare-Versorgter in 51 von Private Equity (meist: „institutionelle Anleger“) übernommenen Krankenhäusern verglichen mit 4.160.720 ebensolchen Fällen in 259 vergleichbaren Kontrollkrankenhäusern für den Zeitraum von 2009 bis 2019.

Die Studie verzeichnet in den Private-Equity-Krankenhäusern einen Anstieg von im Krankenhaus erworbenen Erkrankungen um 25,4 Prozent. Dabei geht es hauptsächlich um Stürze und Blutinfektionen im Zusammenhang mit unsauberem Leitungsmaterial. Die Zahl der chirurgischen Wundinfektionen dort verdoppelte sich sogar von 10,8 auf 21,6 pro 10.000 Krankenhausaufenthalte, obwohl die Anzahl der chirurgischen Eingriffe um 8,1 % geringer liegt. Medicare-Begünstigte in Private-Equity-Krankenhäusern waren geringfügig jünger, hatten seltener einen doppelten Anspruch auf Medicare (Ältere und Behinderte) und Medicaid (Geringverdiener) und wurden im Vergleich zur Kontrollgruppe häufiger in andere Akutkrankenhäuser verlegt. Der massive Anstieg von Stürzen und Infektionen ist zu verzeichnen, obwohl sich die aufgenommenen Medicare-Patienten wahrscheinlich aus einem risikoärmeren Teil der Population zusammensetzen.

Die Vorauswahl der Patient_innenschaft könnte auch eine Erklärung für die geringe relative Verringerung  der Sterblichkeit in Private-Equity-Krankenhäusern sein, ein Effekt, der sich schon nach 30 Tagen gegenüber der Kontrollgruppe ausmittelt. Sprich: Wären die Patienten in privatisierten Krankenhäusern durchschnittlich gebrechlich, wäre nicht nur eine noch höhere Anzahl von Stürzen und Krankenhausinfekten zu erwarten, sondern auch eine höhere Quote von Todesfällen in Zusammenhang mit dem Krankenhausaufenthalt. Dieser Effekt wird laut Einschätzung der Wissenschaftler_innen abgemildert dadurch, dass die Risikofälle wahrscheinlich vermehrt auf Krankenhäuser verwiesen werden, die der Private-Equity-Logik nicht ausgesetzt sind. Wer im Private Equity-Krankenhaus gesund werden will, sollte jung und stark sein.

Aber eigentlich wollte ich ja auf die Prüfsteine des Chaos Computer Clubs zur Digitalisierung im Gesundheitswesen hinweisen. Abgesehen von den sozialen Verhältnissen im Krankenhaus, die nicht zuletzt aus den Eigentums- und Produktionsverhältnissen resultieren (s.o.), verweisen diese Prüfsteine auf eine digitalisierungspolitische Agenda, die linke Krankenhaus- und Care-Politik mindestens im Hinterkopf haben sollte:

  1. Notwendigkeit der individuellen Freigabe, Verschattung und Weitergabe von Gesundheitsdaten
  2. Abwägung von Interessenskonflikten bei Zugriff oder Betrieb von Systemen
  3. Förderung des Gemeinwohls
  4. Aufrechterhaltung der Einbindung medizinischer Fach-Expertise
  5. Einbeziehung der Patient*innen in Forschung und Behandlungsalltag
  6. Aufklärung der Patient*innen über neue digitale Möglichkeiten
  7. Beteiligung von neutralen Dritten in Konzeption und technischer Umsetzung
  8. Umsetzung nach Stand der Technik und nach zeitgemäßen Sicherheitsparadigmen
  9. Grundlegende Wahrung eines hohen Niveaus von Privatsphäre und IT-Sicherheit
  10. Technische Transparenz und Prüfbarkeit der zugrundeliegenden Systeme

 

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