Was haben racial profiling, vernetzte Polizeieinsätze in der EU und soziale Medien gemeinsam? Und wem gehört das Internet? In Italien beginnt am kommenden Montag, dem 13.10., eine Polizeioperation, um Menschen ohne gültige Papiere festzustellen und festzusetzen:
Kontrollen finden gewöhnlich an Bahnhöfen, Autobahnen oder Flughäfen statt. Insgesamt sind mehrere Tausend Polizisten beteiligt, nicht alle jedoch in den „Schwerpunktfahndungsmaßnahmen“ sondern im Regelbetrieb. Zu dieser „allgemeinen täglichen Dienstausübung“ gehört die Überwachung von Hauptverkehrsrouten. Neu ist, dass nicht nur an den Binnengrenzen kontrolliert werden soll: In der zweiwöchigen Operation „MOS MAIORUM“ werden erstmals auch die EU-Außengrenzen einbezogen. (heise.de)
Diese Sorte Polizeioperationen ist nicht neu: Bis auf Griechenland hat jede halbjährlich wechselnde EU-Präsidentschaft eine solche Vernetzung der Praxis staatlicher Kontrolle, Repression und Überwachung durchgeführt. Ziel ist es
effektiver gegen unerwünschte Migration vorzugehen“ (heise.de).
Spannend ist die Informationsgrundlage der Operation. Die Umsetzung der Kontrollen basiert auf offen zugängliche Daten im Internet und smart phones:
Vor ähnlichen, von Zollbehörden durchgeführten Operationen wurden laut dem Bundesinnenministerium auch Anwendungen der „Open Source Intelligence“ eingesetzt, also das Ausspähen offener Informationen im Internet. Mit Data-Mining-Verfahren wurden Informationen aus dem Internet oder Polizeidatenbanken abgeglichen. (heise.de)
Open Source Intelligence hört sich gut an, aber bei genauerem Hinsehen bleibt kein gutes Haar daran. Ausgewertet werden verschiedene mediale Publikationen im Netz, Computer basierte Informationen (bspw. das Surfverhalten), Informationen, die in sozialen Medien (Facebook, Whats up, Foren, usw.) preis gegeben werden und user-generated content – Nutzer*innen generierte Informationen (Bilder, Filmchen, Blogbeiträge, usw.). Unter diesem Gesichtspunkt bekommt die Digitale Agenda einen weiteren unguten Beigeschmack.
Ein emanzipativer Umgang damit ist nun nicht, sich von den sozialen Medien fern zu halten, kein smart phone zu benutzen, niemals ohne Tor zu surfen und überhaupt dem Internet nicht mehr zu trauen. Es ist nicht eine Frage der Sicherheit des Internets, sondern die Frage nach den Machtverhältnissen im Internet. Es geht nicht darum, dem Internet den Rücken zu kehren und sich damit die Chance einer globalen emanzipativen Vernetzung, Wissensaneignung und Produktionsmittelaneignung nehmen zu lassen. Es geht vielmehr um eine Wiederaneignung des Internets und damit eben auch darum, die Machtfrage zu stellen.
Ein kleiner Anfang wären im Alltag von allen recht einfach umsetzbare Handgriffe:
- Die eigene Email verschlüsselt schicken.
- Statt Facebook oder andere kommerzielle Plattformen im Bereich der soziale Medien zu nutzen, zu Diaspora wechseln und alle Freunde*innen mitnehmen.
- Smart phones mit Replicant oder, wenn das fürs eigene Modell nicht funktioniert, mit CyanogenMod rekonfigurieren und damit eine sicherere Mobilfunkkommunikation ermöglichen. Solche Geräte auch denjenigen zugänglich machen, deren Überleben u.a. von sichereren, nicht so leicht überwachbaren Kommunikationsmöglichkeiten abhängt.