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Seit Anfang Mai streiken die Schreibenden der kalifornischen Kultur-, und das ist in erster Linie: Film- und Video-Streaming-Industrie. Was bei den kürzeren Meldungen dazu oft übersehen wurde: Im Streik der »Writers Guild of America« (WGA) 2023 geht es erstmals zentral und explizit um die Forderung nach staatlicher Regulierung von sogenannter Künstlicher Intelligenz. Aus dem Forderungskatalog: „Regulate use of material produced using artificial intelligence or similar technologies“. Die Chat-Roboter sollen verboten bzw. ihr Einsatz eingeschränkt werden. In den Worten von John August, Autor von Big Fish und Aladdin und Mitglied der Verhandlungsdelegation: “The challenge is we want to make sure that these technologies are tools used by writers and not tools used to replace writers”. Längere Artikel gehen ausführlich auf diese Dimension des Streiks ein, z.B. die NYT unter dem reißerischen Titel TV’s War With the Robots Is Already Here. Der Hollywood Reporter analysiert die Potentiale der Maschinen als Streikbrecher in As Writers Strike, AI Could Covertly Cross the Picket Line.

Die ganze Angelegenheit hat aber auch noch eine technopolitisch-gesellschaftliche Dimension, die weit über branchenspezifische oder meinetwegen gewerksspezifische (alle kreativ schreibenden Gewerke betreffende) Existenzängste hinausgeht. Auch wenn Pseudo-Intelligenz etwa die Bildzeitung kaum schlechter machen kann: Die mit dem Einzug vollautomatischer Inhalteproduktion einhergehenden fundamentalen Umbrüche wirksam zu thematisieren, fehlt dem Feuilleton hierzulande jemand wie Frank Schirrmacher.

Ein konsequent digitalisierungs-kritischer Humanismus lässt die zivilisationsdestruktive Entwicklung nicht unkommentiert durchgehen, die in der Ersetzung kreativer menschlicher Arbeit durch Lern-Modelle angelegt ist: Die Pseudo-Intelligenz wird ja immer weiter trainiert, d.h. bekommt aktuelles Schriftgut als Input. (In Zukunft wird es hier immerhin auch bezahlte Arbeit geben für Vertreter_innen der schreibenden Zunft: Als Trainingspartner der Maschinen.) In dem Maße, wie also in der (kapitalistischen) Gegenwart die Maschinen zum Zwecke der Profitmaximierung („tools used to replace writers“) und nicht dem Zweck der Gebrauchswertverbesserung untergeordnet („tools used by writers“) eingesetzt werden und die Produktion übernehmen, haben die Maschinen in einer (weiterhin kapitalistischen) Zukunft zunehmend maschinellen Input und immer weniger menschlichen (denn die teure Arbeit der Trainer_innen wird nicht allgemein eingesetzt, sondern minimal: alles aus Gründen des Konkurrenzdrucks und der Profitmaximierung wegen). Menschen, die keine Gelegenheit mehr bekommen, denen es nicht mehr abverlangt wird, qualitativ hochwertigen kreativen Input zu liefern, verlieren die Fähigkeit dazu – use it or loose it, eine Grundregel der Kognitions- und Neurowissenschaften:

Unser Hirn ist ein höchst plastisches Organ, dass sich im Sinne eines nicht-linearen Systems vielfältig und überwiegend elegant an die Umgebungsanforderungen anpasst. Insofern kann man jedem empfehlen, sich bis ins hohe Alter kognitiv anregend zu beschäftigen. Ohne anregende kognitive Betätigung treten «negative» plastische Prozesse ein, die mit Abbau des Nervengewebes verbunden sind.“ Quelle: Prof. Lutz Jäncke, Uni Zürich

Die praktische Möglichkeit „frischen“ Inputs droht zivilisatorisch verloren zu gehen. Fefe, populärer Blogger an der Schnittstelle zwischen digital aufgeklärter Facharbeiterschaft und Medienkritik, malt die Konsequenzen aus:

Es gibt zwei offensichtliche Auswege. Entweder wird die „KI“ tatsächlich künstlich intelligent und kann eigene Inhalte schaffen (und braucht uns dann nicht mehr und wird uns alle töten) oder die „KI“ verödet genau wie die Menschen verödet sind, weil keiner mehr selbst denken musste. Beides klingt nicht sonderlich attraktiv.“

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