Die Süddeutsche macht aktuell groß auf:
Das schmutzige Geheimnis der KI-Fabriken. Künstliche Intelligenz klingt bei den Tech-Konzernen nach Magie. Tatsächlich würde sie nicht funktionieren ohne die Arbeit ausgebeuteter Datensortierer im globalen Süden.
Quelle: SZ vom 19.9.2023
Schön, dass es bei der Süddeutschen auch angekommen ist. Aber das Thema ist alt. So alt, dass es sogar schon einschlägige Bildungsmaterialien aus unserem Hause (mit)verantwortet gibt 😉
In dieser Methode lernen die Teilnehmenden verschiedene Arbeitsverhältnisse im Kontext digitaler Technik kennen – vom Rohstoffabbau über die Produktion digitaler Geräte bis zur Click-Arbeit mit digitaler Technik: Arbeiten für und mit digitale(r) Technik. Ein Gruppenpuzzle zu globalen Arbeitsrealitäten im Kontext digitaler Technik.
(Digitale) Technik spielt mittlerweile in den meisten Arbeitskontexten eine Rolle. Arbeiter*innen sind je nach Art der Tätigkeit ganz unterschiedlich betroffen. Mithilfe kurzer Texte und Filmausschnitte setzen sich die Teilnehmenden mit drei unterschiedlichen Arbeitsrealitäten im Globalen Süden auseinander und tauschen sich in Kleingruppen dazu aus. Quelle
Miranda Hall beschrieb bereits 2018, wie dieses Geschäftsmodell entstand – durchaus auch aus dem Begehren, auch im Globalen Süden Teil zu haben am digitalen gold rush – und wohin es die Adaption durch die Plattform-Konzerne trieb: „Crowdsourcing der Ausbeutung“ und der „digitale Wettlauf nach unten“ (englisch im Jacobin, deutsch auf rosalux.de)
2019 markierte Judy Wajcman den blinden Fleck im allgemeinen Digitalisierungsdiskurs:
Alle diese Autoren scheuen vor der Frage zurück, inwieweit die Jagd nach Profit und nicht der Fortschritt die Entwicklung der digitalen Technologien ständig prägt, und wie eben diese Technologien nicht zu weniger Arbeit, sondern zu mehr mieseren Jobs führen. Hier steht der sprichwörtliche Elefant im Raum. Sie scheinen blind zu sein für die Masse von prekär beschäftigten und schlecht bezahlten Arbeitskräften, die das Räderwerk von Firmen wie Google, Amazon und Twitter antreiben. Informationssysteme basieren auf Armeen von Programmiererinnen, Datenbereinigern, Seitenbewerterinnen, Pornokontrolleuren und Prüferinnen. Sie alle sind Subunternehmer, die über globale Plattformen wie Mechanical Turk rekrutiert werden und nicht auf der Gehaltsliste des Unternehmens stehen. Quelle
Auf Deutsch liegt zu diesen Jobs seit 2017 die Studie von Moritz Riesewieck vor: Digitale Drecksarbeit. Wie uns Facebook & Co. von dem Bösen erlösen, München 2017, auf deren Grundlage der erschütternde Dokumentarfilm »The Cleaners« (2018) von Hans Block und Moritz Riesewieck entstand, legal und in der deutschsprachigen Fassung anzuschauen im Stream der Bundeszentrale für politische Bildung.
Nina Galla, aktualisierte das Thema mit Blick auf KI im Frühsommer 2023 anlässlich des IFG-Kolloquiums zum Thema ChatGPT:
Dabei gerät meist nicht ins Blickfeld, dass aktuell der reiche Norden auf Kosten des globalen Südens profitiert. Diese Kosten bestehen darin, dass Daten, die für das Training von KI benötigt werden, klassifiziert und bereinigt werden müssen. Arbeitende in Südamerika, Kenia oder Indien annotieren zu Niedrigstlöhnen Daten, damit wir in Europa gewaltfreie soziale Medien und generative KI genießen und auch in Schulen einsetzen können. Dieses Outsourcing ist von verschiedenen Seiten zu betrachten: Die Daten-Annotation bringt nun auch ungelernte Kräfte in Arbeit, zunehmend auch Frauen, gleichzeitig sind die Löhne überall zu niedrig und die Arbeit ist ausbeuterisch und psychisch belastend. Bedroht die Abhängigkeit von Technologie-Unternehmen im Norden die Bequemlichkeit, bedroht sie im Süden die Existenz. Denn auch Annotierung ist von Automatisierung bedroht. Diese Kosten erhöhen sich noch dadurch, dass die Systeme in der Anwendung oft genug vulnerable Menschengruppen auch noch diskriminieren.
Ein Lichtblick ist, dass sich Clickworker in Argentinien feste Stellen und Versicherungen erkämpft haben. Eventuell ist es möglich, über eine Organisation der Beschäftigten ihre Machtposition zu stärken, mit allen kostenrelevanten Konsequenzen für unsere Dienstenutzung. Denn nicht nur bezahlen wir kostenfreie Dienste mit unseren Daten, sondern auch mit der wirtschaftlichen Abhängigkeit und mentalen Gesundheit des globalen Südens. Quelle