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Am vergangenen Wochenende fand in Berlin in den Räumen der TU eine große Konferenz an der Schnittstelle von Nachhaltigkeit und Digitalisierung statt. Die Themen der zweiten Bits & Bäume((vgl. den Konferenzband von 2019, kostenlos als PDF downloadbar beim Verlag)) (nach 2018) reichten z.B. von vernetzter Mobilität über den Rohstoff- und Strombedarf digitaler Geräte, Datensuffizienz und kooperativen Plattformökonomien bis hin zu smarten Energienetzen oder Monopolisierungstendenzen in der digitalen Ökonomie.((vgl. die Themenlinien/Trackübersicht (PDF) )) Die 13 Trägerinnen der Konferenz waren NGOs aus der Umwelt- und Entwicklungsbewegung (BUND, Naturschutzring, iöw, Germanwatch, Konzeptwerk Neue Ökonomie, Brot für die Welt) und Organisationen der Informatik- und Hacking-Szene (CCC, Einstein Center, FIfF, fsfe, Open Knowledge Foundation, TU Berlin, Weizenbaum-Institut). Sie verfolgten einen offenen, partizipativen und ehrenamtlichen Konferenzorganisationsansatz.((vgl. die Selbstdarstellung „Über uns“)) Parteien oder parteinahe Stiftungen sind nicht dabei.

Das umfangreiche Programm zielte nicht nur auf Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus dem Umfeld der Trägerschaft und auf deren gesellschaftspolitischen Hintergrund. Parallel zur Konferenz fand ein „Bildungsfestival“ statt, das sich an Studierende und Dozierende pädagogischer Studiengänge, Lehrpersonen und Schulleitungen, Schüler*innen wandte und an alle, die Lernen neu denken und neu machen wollen. So sollte es darum gehen, „gemeinsam konkrete Ideen [zu] entwickeln, wie wir Zukunftsthemen rund um Nachhaltigkeit und Digitalisierung in die Schulen bringen“.

Die Teilnehmer_innen der Konferenz produzierten auch ein im ganz engen Sinne politisches Ergebnis, nämlich einen ausgefeilten Forderungskatalog, mit dem sie sich an „die Bundesregierung, die Europäische Union und politische Akteure weltweit“ richten.

  1. Digitalisierung im Rahmen der planetaren Grenzen
    Wir fordern, dass sich technologische Entwicklungen an den Maßstäben von Natur-, Klima- und
    Ressourcenschutz und dem Erhalt von Biodiversität ausrichten. Digitale Infrastrukturen und elektro-nische Geräte müssen ohne Kompensation klimaneutral hergestellt und betrieben werden.
  2. Globale Gerechtigkeit und regionale Selbstbestimmung
    Wir setzen uns für einen digitalen Wandel ein, der ein global gerechtes und nachhaltiges Wirtschafts-system unterstützt. Handelsabkommen zu digitalen Gütern und Dienstleistungen sollten nationaleRegelungen nicht behindern, die notwendig sind, um eine eigenständige Digitalwirtschaft vor Ortaufzubauen.
  3. Umverteilung technologischer Gestaltungsmacht, Demokratie und Teilhabe
    Wir fordern, dass digitale Monopole kontrolliert und die digitale Welt demokratisiert werden.
  4. Gerechte Digitalisierung, nachhaltige Technikgestaltung und soziale Fragen
    Wir fordern, dass soziale und ökologische Gerechtigkeit sowie langfristiger Frieden grundlegendeZiele des digitalen Wandels sind. Technikgestaltung, Bildung und Arbeit sollten so ausgerichtet wer-den, dass sie den sozialen Zusammenhalt stärken.
  5. Schutz digitaler Infrastruktur und IT-Sicherheit
    Eine nachhaltige Demokratie benötigt zuverlässige, sichere und vertrauenswürdige Infrastrukturen. Darum fordern wir, dass digitale Infrastrukturen angemessen geschützt und gewartet werden. Dafür muss öffentliche Sicherheit so verstanden werden, dass IT-Sicherheit und Datenschutz an den Grundrechten orientiert werden und einer lebenswerten Gesellschaft dienen.

Diese fünf Punkte bilden die Überschriften des Forderungskatalogs und sind auf 14 Seiten PDF ausführlich konkret unterfüttert. Die staatlich monopolistisch kapitalistische Formierung der gegenwärtigen Digitalisierungsprozesse ist dabei durchaus im Bewußstsein, auch wenn Begriffe wie „Kapitalismus“ oder – konstruktiv – „Sozialismus“ nicht ausdrücklich fallen. Die Eigentumsfrage wird in Verkleidung von Demokratisierungsforderungen gestellt. Ganz im Sinne einer transformativen Strategie, wie sie ja auch bis hinein in Linkspartei und RLS vertreten wird, heißt es:

Damit das Gemeinwohl adäquat berücksichtigt wird, müssen nicht-kommerzielle Plattformen als Alternative zu rein gewinnorientierten digitalen Unternehmen geschaffen werden. Hier können beispielsweise Räte mit zivilgesellschaftlicher Beteiligung Sorge dafür tragen, dass das Angebot nicht nur Profitinteressen folgt. Bei Medienplattformen kann sich an öffentlich-rechtlichen Modellen orientiert werden, ohne jedoch staatliche Monolithe zu schaffen.

Hier werden Keimformen anderer Eigentumsverhältnisse und einer anderen Wirtschaftsweise benannt und deren Förderung verlangt. Zwar zielen die Forderungen nicht explizit und frontal gegen den herrschenden, mensch- und naturzerstörenden Block. Aber in einer Art Präambel des Forderungskatalogs heißt es, die Forderungen seien in dem Bewußtsein formuliert, dass sie „nicht alle politischen Veränderungen abdecken, die erforderlich sind, um eine transformative, nachhaltige Digitalisierung zu gestalten“ und daher „gemeinsam mit der Expertise der Zivilgesellschaft weitere Maßnahmen entwickelt werden [müssen]“.

Die Forderungen machen so willentlich eine Perspektive auf auch für Menschen und ihre Organisationen und Positionen, die das Nicht-Kapitalistische nicht nur als Menüerweiterung in einem weltweit dominierenden Kapitalismus denken, sondern wissen, dass es um eine Alternative gehen muss, die sie letztlich in kontinuierlichen Alltagskämpfen durchsetzen müssen gegen die menschen- und naturzerstörende Wirtschaftsweise des Kapitalismus, dessen ungerechtes und antisoziales Eigentums- und Produktionsverhältnis mit seiner permanent Krieg verursachenden imperialistischen Tendenz. An dieser Stelle wäre es Aufgabe und bestünde die Gelegenheit für eine sozialistische Partei und ihr Umfeld, das Transformatorische über Reform- und Bändigungsansätze innerhalb kapitalistischer Verhältnisse über diese hinaus zu treiben. Nur ein Transformationsbegriff, der die Orientierung auf Kämpfe in antagonistischen Verhältnissen nicht entsorgt, sondern aufhebt, kann der Gefahr entgehen, von den Herrschenden eingebunden und letztlich – als öko-soziales Feigenblatt etwa – reaktionär gewendet zu werden.

Wie geht es konkret weiter, wo gibt es möglichkeiten dabei zu sein, mitzumachen? Als zivilgesellschaftliche Digital- und Nachhaltigkeitsszene umfasst die Bits & Bäume-Bewegung bereits in acht Städten/Regionen regionale Sprösslinge und betreibt einen eigenen Mastodon-Server (twitter-Alternative) und ein großes Online-Forum. Einen Überblick über den Kosmos der Bits-und-Bäume-Community liefert am ehesten das Wiki. Die Regionalgruppen organisieren eigene Veranstaltungen und treffen sich regelmäßig off- und online. Eine nächste größere Konferenz wird 2023 in NRW stattfinden und will einen Schwerpunkt auf globale Perspektiven legen.

 

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